So kann’s nicht weitergehen

So kann's nicht weitergehen

Manchmal gelangen wir an einen Punkt in unserem Leben, wo wir mit erschreckender Deutlichkeit spüren: ‚So kann’s nicht weitergehen!‘.

Uns abzulenken oder die Situation schön zu reden, funktioniert nicht mehr. Wir sind neben der Spur, haben unruhige Nächte und unsere Gedanken kreisen immer wieder um dieses eine Thema:

Es passt einfach nicht mehr.

Mag es um eine Beziehung, unsere Gesundheit oder unsere berufliche Tätigkeit gehen – wir spüren sehr deutlich, dass sich etwas verändern muss.

Nur was? Und wie?

Diese Situationen sind meist sehr unbequem. Wenn bislang stabile Säulen unseres Lebens ins Wanken geraten, macht das Angst. Tausend Fragen schießen einem durch den Kopf, die möglichen Antworten erweisen sich allesamt als äußerst unzufriedenstellend.

Ich prophezeie kühn, dass es vielen Menschen in 2021 so ergehen wird. Vor allen Dingen in beruflicher Hinsicht.

Das betrifft auch Menschen in Führungspositionen, die über Jahre hinweg mit viel Engagement ihr Bestes gegeben haben und nun nicht ohne ein gewisses inneres Entsetzen feststellen müssen, dass sie so nicht länger weitermachen können.

Manager, Politiker und Funktionäre, aber auch Unternehmerinnen und Unternehmer werden möglicherweise in diesem Jahr erkennen, dass die Ziele, das Unternehmen, die Organisation oder die Partei, für die sie ursprünglich angetreten sind, zunehmend mehr im Widerspruch zu ihren persönlichen Werten stehen.

Das, was sich einst richtig und wichtig angefühlt hat, stimmt plötzlich nicht mehr.

 

Gewissenskonflikt mit der eigenen Tätigkeit

Die Ursachen mögen vielfältig sein. Sei es, dass man mit der Philosophie der Unternehmensführung nicht mehr übereinstimmt, nicht mehr wirklich hinter seinem eigenen Produkt steht oder der Umgang mit Mitarbeitern oder Kunden nicht als wertschätzend und respektvoll empfunden wird.

Unterm Strich steht immer das Gleiche:

Man kann die bisherige Tätigkeit nicht länger mit dem eigenen Gewissen vereinbaren. Man kann sich selbst nicht mehr in die Augen sehen und fühlt sich ein Stück weit, als ob man ein Doppelleben führen würde.

Ich selbst war vor über zehn Jahren in solch einer Situation und habe nach langem Ringen und vielen schlaflosen Nächten meine aussichtsreiche Position in der Biotech-Branche aus Gewissensgründen aufgegeben. Es war rückblickend eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Aber es hätte mir damals sehr gutgetan, in dieser Phase jemanden an meiner Seite zu haben, der mir hilft, konstruktiv mit meinen Ängsten, Zweifeln und Unsicherheiten umzugehen.

Sicherlich hat diese Erfahrung dazu beigetragen, dass ich über die vergangenen Jahre immer wieder Klienten durch ähnliche Prozesse begleiten und ihnen Rückhalt geben konnte.

Solltest du dich in solch einer Situation befinden, möchte ich dir daher an dieser Stelle einige Optionen geben, die dich aus der Ratlosigkeit und Verzweiflung wieder in die Handlungsfähigkeit bringen:

 

Die Angst verstehen und handeln lernen

Nicht selten kann die Angst in solchen Situationen beinahe überwältigend erscheinen. Erfahrungsgemäß kommen oftmals Existenzängste zum Vorschein, die man in dieser Form so noch nie erlebt hat. Man fürchtet sich zudem vor der Reaktion des Umfeldes, vor der ungewissen Zukunft und manchmal auch davor, verrückt zu werden.

Häufig erscheinen die Befürchtungen diffus, so dass man sie gar nicht wirklich benennen kann. Bei genauerer Betrachtung erweist sich die Sorge oftmals rational als unbegründet, was die Sache jedoch nicht einfacher macht. Denn die Unruhe bleibt  –  selbst  wenn der Verstand weiß, dass man wohl weder von den Freunden verstoßen noch unter der Brücke landen wird.

In dieser Situation sind für dich zwei Dinge wichtig zu wissen und die entsprechenden Kompetenzen zu erwerben:

Angst ist nur Energie, die durch den Körper fließt.

Angst fühlt sich deshalb so furchterregend an, weil wir nicht gelernt haben, mit diesem Gefühl umzugehen. Tatsächlich ist diese Emotion aber, wie jede andere auch, ‚nur‘ eine Energie mit hoher Intensität im Körper.

An Angst stirbt man nicht – obwohl es sich manchmal so wahnsinnig bedrohlich anfühlt.

Es ist daher besonders wichtig, dass du lernst, die Angst-Energie in deinem Körper zu halten. Dann musst du nicht länger davor davonlaufen oder versuchen, sie betäuben oder wegdrücken zu wollen (was auf Dauer sowieso nicht funktioniert). Ebenso wenig verfällst du aus Panik heraus in blinden Aktionismus.

Diese Fähigkeit kannst du trainieren. Ganz ähnlich wie im Sport: Wenn du zwei Jahre lang nur auf der Couch gelegen bist, ist beinahe jeder Sport zu viel, zu intensiv für dich. Beginnst du jedoch zu trainieren und dich an die Bewegung zu gewöhnen, kannst du die hohe Energie problemlos in deinem Körper halten und das Auspowern tut dir sogar sehr gut.

Es geht also darum, Angst ganz bewusst zu fühlen und als starke Intensität im Körper wahrzunehmen.

Als ich zum ersten Mal bewusst unter Anleitung Angst gefühlt habe, zeigte mein Körper einige Symptome, die ich schon lange kannte: Verkrampfungen in den Händen und Armen, Hitze im Kopf, Herzrasen oder Kaltschweiß zum Beispiel. Erst in diesem Zusammenhang habe ich verstanden, dass diese Symptome lediglich körperliche Anzeichen von Angst sind (die Symptome können natürlich bei jedem Menschen anders sein).

Wenn die nächste Welle der Angst kommt, beobachte die Empfindungen in deinem Körper und übe, die Intensität zu halten.

 

Alte Angst

Im Laufe der Zeit habe ich eine interessante Beobachtung gemacht: Wenn es so richtig ans Eingemachte geht und wir gewohnte Sicherheiten aufgeben bzw. darüber nachdenken, tauchen Ängste auf, die gar nichts mit unserem eigenen Leben zu tun haben.

Es sind alte Ängste von uns selbst aus anderen Lebzeiten oder, viel häufiger, traumatische Erfahrungen, die unsere Familien und Ahnen gemacht haben und die in unserem Körper abgespeichert sind, ohne dass wir davon wissen.

Lass mich zur Erklärung einen kleinen Exkurs machen:

Die meisten Gefühle wie Wut, Angst, Traurigkeit oder Freude, die in unserem Alltag immer wieder auftauchen, sind streng genommen gar keine Gefühle, sondern Emotionen.

Während Gefühle nämlich ursächlich dem gegenwärtigen Moment entspringen und genauso schnell wieder vorüberziehen, wie sie gekommen sind, haben Emotionen ihren Ursprung in der Vergangenheit.

Immer dann, wenn du im Laufe deines Lebens eine Erfahrung machst, deren emotionale Intensität größer ist als deine momentane Kapazität, die Gefühle vollständig zu durchfühlen, werden diese Emotionen energetisch abgekapselt und ‚weggepackt‘.

Fühlst du dich also beispielsweise als kleines Kind einsam und verlassen, weil offensichtlich niemand auf deine Schreie reagiert, kann diese Situation sich so bedrohlich für dich anfühlen, dass absolute Todesangst und Panik in dir aufsteigen (bedenke, dass ein Kind ein völlig anderes Zeitgefühl hat als Erwachsene und sich deshalb eine Minute bereits wie eine Ewigkeit anfühlen kann). Gleichzeitig bist du aber gar nicht in der Lage, diese starken Gefühle in vollem Umfang zu handeln. Weil der Schmerz bzw. die Angst so immens sind, schaltet dein System auf ‚Überlebensmodus‘ um und trennt sich energetisch so gut es geht vom ‚Fühlen‘ ab. Diese abgespaltenen Emotionen verschwinden jedoch nur scheinbar. In Wirklichkeit werden sie in deinem Körper abgespeichert.

Die Konsequenz ist, dass diese alte Emotion immer dann getriggert wird, wenn in deinem späteren Leben eine ähnliche Situation auftaucht. So kann es sein, dass du in absolute Panik gerätst, wenn dein Partner sich verspätet und du ihn telefonisch nicht erreichst: Die uralte Todesangst und das Gefühl von verlassen sein, die tief in deinem System abgespeichert sind, werden durch dieses Ereignis aktiviert.

Tatsächlich läuft dieser Mechanismus unzählige Male jeden Tag ab. Die ausgelösten Emotionen sind nicht immer so intensiv wie in diesem Beispiel. Dennoch sind die vermeintlichen Gefühle, die wir empfinden, sehr oft ‚alte Emotionen‘ und damit eine Überreaktion, die nicht im Verhältnis zum aktuellen Ereignis steht.

Zurück zur Angst:

Spürst du nun also tief in dir, dass die Tätigkeit, die bislang deine Existenz gesichert und dir Struktur und Halt in deinem Leben gegeben hat nicht mehr passt, entsteht natürlicherweise das Gefühl Angst – der bevorstehenden Veränderung angemessen.

Dazu gesellt sich jedoch darüber hinaus eine gehörige Ladung ‚alter Angst‘. Also Emotionen von Angst, die aus früheren Erfahrungen unbewusst in deinem Körper abgespeichert waren, wie oben beschrieben. Die empfundene Intensität der Angst ist entsprechend um ein Vielfaches höher als es in der aktuellen Situation eigentlich gerechtfertigt wäre.

Doch nun kommt der Clou:
In deinem System sind nicht nur die Emotionen aus deiner eigenen Biografie gespeichert! Vielmehr trägst du unter Umständen auch Erfahrungen aus früheren Leben energetisch noch in dir sowie oftmals Schocks und Traumata deiner Vorfahren. Generationstrauma oder Traumavererbung nennt man den letzteren Vorgang in der Psychologie.

Konkret bedeutet das, dass Verluste, Vertreibungen, Kriegserlebnisse und ähnliches als Erfahrung in dir abgelegt sind, obwohl du es selbst nie erlebt hast und oftmals noch nicht einmal etwas davon weißt.

Gab es beispielsweise in deiner Familie Ereignisse wie Flucht, Vertreibung, Zerstörung durch Brände oder Naturkatastrophen oder Insolvenzen, dann können diese Erfahrungen von Totalverlust aktiviert werden, wenn dir nun plötzlich bewusst wird, dass du deine Arbeit nicht in der bisherigen Form weiterführen kannst.

Meiner Erfahrung nach sind vor allem Traumata aus den drei Generationen vor uns, also von unseren Eltern bis hin zu den Urgroßeltern, oftmals noch sehr einflussreich in unserem Leben.

Das erklärt, warum die Angst manchmal so intensiv und real ist, obwohl unser Verstand eigentlich weiß, dass es so schlimm nicht kommen wird.

Mit Erfahrung und Routine in der emotionalen Selbstführung kann man solche Trauma-Aktivierungen oftmals selbst lösen. Bist du darin jedoch noch nicht geübt, würde ich dir dringend empfehlen, dich professionell unterstützen zu lassen, wenn du das Gefühl hast, dass du möglicherweise solche Traumata deiner Vorfahren in dir trägst.

 

Der bewusste und konstruktive Umgang mit Angst ist aus meiner Sicht absolut entscheidend bei jeder Art von Veränderungsprozessen. Hast du nicht gelernt, souverän mit deiner Angst umzugehen und versuchst sie stattdessen zu verdrängen, wirst du entweder vor lauter Panik gar nichts tun (‚Todesstarre‘) oder in überstürzten, blinden Aktionismus verfallen. Beides wird dich in der Folge unter Umständen viel Zeit, Nerven und auch Geld kosten.

Bist du hingegen in der Lage, die Intensität zu halten und dabei weiterhin handlungsfähig zu bleiben, kannst du mit klarem Kopf entscheiden, was zu tun ist. Hast du darüber hinaus noch die alten, emotionalen Ängste aufgelöst, zeigt sich meist sehr deutlich, was zu tun ist und du kannst klare, konstruktive Entscheidungen treffen und umsetzen.

Erfahrungsgemäß öffnen sich immer neue Möglichkeiten, sobald die Ängste überwunden sind. Bis dahin agierst du im Überlebensmodus und bist daher gar nicht in der Lage, diese Optionen zu sehen oder sie machen dir so viel Angst, dass du sie nicht ergreifen kannst.

 

Zum Abschluss möchte ich dir noch etwas ins Gedächtnis rufen:
Das Leben ist immer für dich. Wenn du das Gefühl hast, dass etwas zu Ende gehen muss und du dich hilflos oder gar verzweifelt fühlst, weil du das Neue noch nicht sehen kannst, erinnere dich daran.

Leben bedeutet Evolution. Gerade dann, wenn du im Leadership bist. Und manchmal bedarf es für den nächsten großen Entwicklungsschritt einen mehr oder weniger radikalen Richtungswechsel.

Das mag nicht immer einfach sein, aber die Herausforderungen deines Lebens sind immer perfekt für dich orchestriert. Damit du deine Kraft, deine Freiheit und deine ureigene Brillanz immer weiter entfaltest.

Falls du dir in diesem Evolutions-Prozess Unterstützung wünschst, bin ich gerne für dich da.

Herzlichst,

Carolin

Carolin Otzelberger

Mentorin und Sparringspartnerin für Menschen, die Menschen führen:

Ausbildung und Supervision in Inner Leadership und effektiver Selbstführung.


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