Work-Life-Balance wirklich umsetzen [Re-upload]

Work Life Balance als Unternehmer schaffen

Eine gesunde Work-Life-Balance als Unternehmer erscheint vielen als ein Widerspruch in sich. ‚Als Unternehmer unternimmt man und arbeitet selbst und ständig.‘. Klischees wie diese hängen den meisten Unternehmerinnen und Unternehmern zu den Ohren heraus. Auch deshalb, weil sie möglicherweise mehr Wahrheit enthalten als vielen lieb ist.

Doch unabhängig davon, wie ausgelutscht der Begriff und wie alt das Thema ist, der Kampf um eine funktionierende, gesunde und wohltuende Work-Life-Balance ist nach wie vor eine der zentralen Herausforderungen vieler Firmenchefs.

So bereitwillig man in den Anfangsjahren auf manches Privatvergnügen verzichtet und zu Gunsten des Business-Aufbaus (oder -Überlebens) Überstunden und Nachtschichten gerne in Kauf nimmt, so sehr fordern Gesundheit, Familie, Freunde und die eigene Seele nach einigen Jahren ihren Platz ein.

 

Die Gewohnheit ist die Mutter des Teufelskreises

Die Crux an der Thematik liegt darin, dass sich eine Reihe von Verhaltensweisen und Gewohnheiten über die Jahre eingeschlichen haben, die anfangs nötig und hilfreich waren, später aber zum Bumerang werden.

Nach einer, unter Umständen anstrengenden, Aufbauphase sollte ein Unternehmen ja irgendwann aus dem Gröbsten raus sein und schwarze Zahlen schreiben. Das ist der Moment, wo der Gründer nicht nur tief durchatmen und stolz sein darf, sondern auch ganz bewusst seine Arbeitseinstellung und -gewohnheiten auf den Prüfstand stellen sollte.

Denn genau wie das Unternehmen selbst, befinden sich meist auch seine Inhaber in den ersten Jahren im Überlebensmodus. (Fast) Alles wird dem Aufbau des Unternehmens untergeordnet: Persönliche Hobbies, Gesundheit, Beziehungen sowie andere Wünsche und Bedürfnisse. Das ist eine sehr sinnvolle Strategie, stehen auf diese Art und Weise doch möglichst viel Kraft und Ressourcen für das Aufpeppeln des Babys zur Verfügung (ähnlich wie Eltern dies bei einem richtigen Baby leisten).

Doch diese Vorgehensweise ist nur kurzfristig sinnvoll. Auf Dauer muss die investierte Energie zurückfließen, sonst entsteht ein frappierendes Missverhältnis.

Das Unternehmen soll den Unternehmer (und ggf. seine Familie) auf lange Sicht (er-)nähren und nicht auszehren. In den meisten Fällen ist dieses Potential auch durchaus vorhanden, und zwar nicht nur monetär, sondern auch in Form von (Frei-)Zeit und Erfüllung.

Doch die wenigsten Unternehmerinnen und Unternehmer schöpfen dieses Potential wirklich aus. Stattdessen führen sie die in den Anfangsjahren entwickelten und zur Routine gewordenen Verhaltensweisen unreflektiert fort und entwickeln sich dadurch zu Sklaven ihres eigenen Unternehmertums.

 

Über’s Ziel hinaus geschossen ist auch vorbei

Die Menge unterscheidet zwischen Gift und Medizin. Ähnlich ist es auch im Business. Engagement, Einsatz und Begeisterung für’s eigene Unternehmen sind absolut essenziell und auch erfüllend. Zuviel des Guten schwächt auf Dauer aber sowohl Unternehmer als auch Unternehmen.

Eine Firma muss sich nach wenigen Jahren selbst tragen und an einem Punkt sein, wo der CEO ‚nur‘ noch strategisch lenkt und gezielt interveniert, aber sich selbst nicht mehr aufarbeitet.

Andererseits muss auch der Unternehmer unbedingt raus aus dem Überlebensmodus, der geprägt ist von Anstrengung, Angst und Kampf. Denn die damit verbundene Stoffwechsellage (Stress bedeutet Leistung und Konzentrationsfähigkeit steigen, Regeneration, Verdauung und Entspannung werden zurückgefahren) ist für den Körper nur kurzfristig tolerabel und macht auf Dauer krank. Ebenso duldet auch das soziale Umfeld es nur vorübergehend, zurückzustecken und die eigenen Bedürfnisse dem Erfolg des Unternehmens unterzuordnen. Beziehungen wollen gepflegt werden und das braucht Raum und Zeit für gemeinsame Aktivitäten und gegenseitigen Austausch.

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer haben nicht den Mut, aktiv eine (innere) Kehrtwende zu vollziehen, wenn sie eigentlich nötig wäre (nämlich nachdem die ersten Start-Up Jahre überstanden sind). Oftmals muss sich erst ein mehr oder weniger hoher Leidensdruck aufbauen, verursacht durch Krankheit, Burnout, Trennung oder ‚Schicksalsschläge‘, um die Prioritäten neu zu sortieren.

Damit du es nicht soweit kommen lassen musst, betrachten wir im Folgenden die drei entscheidenden Fragen, die du beantworten musst, um der Falle zu entkommen.

Wahrscheinlich wirst du feststellen, dass diese Art der ehrlichen Selbstreflexion halb so wild ist und ein gesundes Gleichgewicht aus Arbeit und Freizeit leichter umzusetzen ist, als du möglicherweise momentan denkst.

Entscheidend ist, dass du weißt, was du tust, warum du es tust und wo du hin möchtest.

 

Was willst du eigentlich?

‚Work-Life-Balance‘ klingt nett und erstrebenswert, aber was bedeutet das wirklich für dich?

Viele Menschen sehnen sich nach mehr Zeit für sich, wenn sie erschöpft und ausgelaugt vom vielen Arbeiten und der hohen Verantwortung sind.

Unabdingbar für das Erreichen dieses Gleichgewichts ist es aber zu wissen, welche Faktoren die andere Seite der Waage ausfüllen sollen.

‚Weniger arbeiten‘ ist kein sinnvolles Ziel. Du wirst es nicht erreichen, solange du nicht eine starke Motivation FÜR etwas hast, was MEHR werden soll in deinem Leben.

Also wofür möchtest du (wieder) mehr Zeit haben? Was genau ist es, was dir fehlt? Wie würde ein Leben aussehen, das dich ganzheitlich erfüllt?

Nicht immer, aber oft fällt es Unternehmerinnen und Unternehmern auch deshalb so schwer, weniger zu arbeiten, weil sie über die Jahre viele Aktivitäten und Beziehungen jenseits der Firma so vernachlässigt haben, dass sie gar nicht mehr wissen, womit sie mehr Freizeit eigentlich verbringen möchten. Man ist schleichend ‚rausgefallen‘ aus Freundeskreisen oder Mannschaften und hat seine Form im Sport oder der Musik verloren.

Der erste Schritt, um wieder ein Gegengewicht zur Arbeit aufzubauen besteht also darin, dir darüber klar zu werden, was dich erfüllt und glücklich macht. Welche Aktivitäten und Beziehungen hast du Lust wieder aufzunehmen? Was möchtest du neu in dein Leben integrieren?

Die entscheidende Frage ist aber: Wie würdest du dich dadurch fühlen?

Bestimmte emotionale Zustände sind das, wonach wir uns eigentlich sehnen. Wünsche, Ziele und Vorsätze sind nur Dinge, von denen wir glauben, dass sie uns diese Gefühle bescheren.

Wenn du weißt, wie du dich fühlen möchtest, hast du auch eine starke Motivation, die dazu notwendigen Schritte zu tun.

Mögliche emotionale Zustände, nach denen du dich sehnst, könnten beispielsweise sein:

  • Genährt und geborgen als Teil einer Gemeinschaft
  • Entspannt und gelassen
  • Erfüllt von Abenteuer und tollen Erlebnissen
  • Inspiriert von neuen Begegnungen
  • Körperlich fit und agil
  • Lebendig und ausgelassen

Stell dir vor, du könntest dir dein Leben frei aussuchen, wie du es gerne möchtest (Aladin würde sich also ausnahmsweise mit mehr als drei Wünschen sehr großzügig zeigen), wie würdest du es gestalten? Welche Elemente würden darin vorkommen?

Vielleicht denkt ein Teil von dir jetzt, dass das doch völlig utopisch ist. Mach die Übung trotzdem. Wenn du nicht weißt, was du wirklich, ehrlich brauchst, um glücklich zu sein, hast du keine Chance, es zu erreichen. Lade die Utopie ein und vergiss für einen Moment all die Gründe, warum das sowieso nicht möglich ist.

 

Was sind deine unbewussten Antreiber?

Meist denken wir, dass wir Stress, viel Arbeit und keine Zeit für andere Dinge haben, weil bestimmte Gegebenheiten im Außen sind, wie sie sind. Die Emails stapeln sich im Postfach, das Telefon klingelt unaufhörlich und jeder will irgendetwas von einem. Wir haben Termine einzuhalten und Aufgaben zu erledigen.

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit.

Dahinter verbergen sich nämlich eine ganze Reihe innerer Überzeugungen, die dafür sorgen, dass es genauso sein muss.

Bei genauerer Betrachtung stellen wir fest, dass wir uns gar nicht vorstellen können oder wollen(!), dass es auch anders geht.

Zwei Fragen können dir helfen, die tieferen Ursachen ausfindig zu machen:

  • Hältst du es überhaupt für möglich, mit weniger Arbeit genauso oder sogar noch erfolgreicher zu sein?
  • Würdest du dich immer noch wichtig, wertvoll und anerkannt fühlen, wenn du weniger arbeiten würdest und weniger ‚zu tun‘ hättest?

Wenn du ehrlich zu dir bist, bemerkst du vielleicht, dass du Erfolg automatisch an viel und harte Arbeit geknüpft hast. In deinem Unterbewusstsein tummeln sich Sätze wie ‚Von nichts, kommt nichts‘ oder ‚Ohne Fleiß, kein Preis‘, ‚Geld wächst nicht auf Bäumen‘ und ‚Für Geld muss man hart arbeiten‘.

Solange du an diesen Überzeugungen festhältst (selbst, wenn sie dir bis gerade eben gar nicht bewusst waren), wird Geld verdienen und erfolgreich sein für dich immer mit viel Anstrengung und Arbeit verbunden sein.

Und dann ist da noch der Punkt mit dem Selbstwert. So verrückt es auf den ersten Blick erscheinen mag: Wir fühlen uns wertvoller, wenn wir viel leisten. Je anstrengender es ist und je mehr wir arbeiten, umso mehr haben wir das Gefühl, ein ‚guter Mensch‘ zu sein. Stimmt’s?

Um eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen, muss dein Selbstwert größtenteils unabhängig von deiner Leistung werden. Natürlich darfst du dich immer noch über Erfolge freuen und stolz sein auf das, was du erreicht hast. Aber du musst wirklich verinnerlicht haben, dass dein Wert als Mensch unabhängig von äußeren Erfolgen ist und davon, was andere Menschen über dich denken.

Besonders, wenn dein Umfeld sehr leistungs- und/oder Status-orientiert ist, gehört viel innere Stärke dazu, um aus diesen Konditionierungen auszusteigen.

 

Welchen Zweck erfüllt dein innerer Kontrolletti?

Dass du Aufgaben delegieren musst, um dich selbst zu entlasten, weißt du theoretisch und hast du sicherlich zum Teil auch schon umgesetzt. Dennoch ist dieser Schritt für sehr viele Unternehmer mit Ängsten verbunden. Verständlicherweise, deine Firma ist schließlich dein Baby.

Doch um mehr Zeit für dich zu haben, musst du noch mehr loslassen. Während viele Gründer anfangs ‚Mädchen für alles‘ sind und sehr viele Aufgaben selbst erledigen, sollte dein Ziel sein, dich langfristig nur noch in deiner Genie-Zone sowie mit strategischen Überlegungen zu beschäftigen.

Wenn du beim Gedanken daran, noch mehr deiner Tätigkeiten abzugeben und dich wirklich auf deine Brillanz zu konzentrieren, Widerstand in dir spürst, ist es wichtig, genauer hinzuschauen.

Stelle dir die Fragen: Wovor habe ich Angst? Was könnte passieren?

Vielleicht hast du Glaubenssätze darüber, dass Dinge schief gehen, wenn du es nicht selbst machst. Oder darüber, dass auf andere Menschen kein Verlass ist.

Möglicherweise hast du miterlebt oder erzählt bekommen, wie Firmen in große Schwierigkeiten gekommen sind, weil ein Mitarbeiter einen Fehler gemacht hat.

An dieser Stelle ist es wirklich wichtig für dich herauszufinden, wovor dein innerer Kontrolletti dich beschützen möchte. Denn für deine persönliche Gesundheit, aber auch für das Wohl deines Unternehmens, ist es absolut notwendig, dass du diesen Kontrolletti zurückstutzt auf einen Umfang, der angemessen ist.

Es gibt Menschen, die viele deiner Aufgaben sehr viel besser können als du und mehr Spaß daran haben. Und wenn du alle Überzeugungen, die dem im Weg stehen aufgelöst hast, können auch wirklich sehr kompetente, engagierte und verlässliche Mitarbeiter zu dir finden! Denn die gibt es und sie freuen sich, dich und deine großen Ideen und Visionen zu unterstützen, wenn du sie mit deinem Vertrauen belohnst.

 

Wie du siehst, spielt es eine große Rolle, was du für möglich erachtest, was du erwartest oder befürchtest und welche Gedanken du für wahr hältst.

Wenn du etwas an deiner Work-Life-Balance verändern möchtest, beginne damit, sehr ehrlich in dich hineinzuhören und deine Ängste und Überzeugungen ausfindig zu machen. Oberflächenkosmetik à la Zeitmanangement-Tools und gute Vorsätze werden dauerhaft nicht funktionieren, wenn du deine inneren Saboteure nicht entlarvt hast.

Herzlichst,

Carolin

(Dieser Artikel wurde ursprünglich im Oktober 2019 veröffentlicht)

Carolin Otzelberger

Mentorin und Sparringspartnerin für Menschen, die Menschen führen:

Ausbildung und Supervision in Inner Leadership und effektiver Selbstführung.


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